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In ihrer Malerei behandelt Uta Jeran Themen wie Landschaft, Stilleben, Interieur, Porträt, Figur und Tier. Diese werden in ihrer expressiven Acrylmalerei verfremdet und abstrahiert, so dass neben düster-sensiblen Figuren arkadisch- lichtdurchflutete Landschaften entstehen.
Sie verwendet Acryl, um schneller ihrer Bildidee Form geben zu können, ergänzt die Technik dann durch Gouache und Öl. Hierbei nutzt sie einen impulsiven Pinselstrich, ein expressives Kolorit und erweitert dies durch die Collagetechnik.
In den Aquarellen hingegen zeigt Uta Jeran sehr zarte und reiche Farbnuancen, in den Siebdrucken klare und illustrierende Formen und Farben.
Neben den einzelnen Gemälden setzt sie sich immer wieder mit einem Thema auseinander und bearbeitet es variationsreich in Reihungen und Serien.


2020 Marcus Schramm anlässlich der Ausstellung in der Galerie 100, "Kennst du das Land..."

2018 Marcus Schramm anlässlich der Ausstellung im Dominikanerkloster Prenzlau, "Blaue Stunde"

2012 Ricarda Horn anlässlich der Ausstellung in der Remise Degewo "Federleicht und Erdenschwer II"

2007 Micha Bartsch anlässlich der Ausstellung in der Galerie Raum 5 "Märchen und Mythen"

Rede von Jessica Ullrich anlässlich der Ausstellung in der Galerie Nord 2003
Uta Jeran und Massoud Graf-Hachempour "Reihungen"


Text von Ursula Cosmann anlässlich der Eröffnung der Ausstellung mit Cornelia
Gutsche und Michael de Maiziere in der Galerie Ingeborg Vagt , 2000





Text von Marcus Schramm anlässlich der Ausstellung in der Galerie 100
"Kennst du das Land..."



Der Blick wandert. Er sieht in ein Dickicht aus Grün, schaut auf eine Bucht aus wässrigem Blau, klettert den gegerbten Berg empor und gelangt dann an einen rosigen Strand. Es ergeben sich Aussichten über Felder aus Ocker, in die weinrote Ebene, auf eisiges Weiß. Ein wolkiges Grauweiß schwebt in himmelfernem Hellblau. Man wandelt zwischen den Welten.

Die Ausstellung der Malerin Uta Jeran ist eine Art Spaziergang - eine Wanderung durch Bildwelten und Aussichten auf Farbmeere. Der Ausstellungstitel "Kennst du das Land..." fragt dabei einerseits nach dem Wesen von Landschaft, nach Erscheinungsformen der Welt und andererseits nach damit zusammenhängenden Weisen der Aneignung und des Erkennens, nach Wahrnehmung und Erinnerung.
Es scheint das Wesen von Sprache und Kunst im Allgemeinen und der Bilder der Künstlerin Uta Jeran im Besonderen zu sein, zwischen der Welt, dem Bild von der Welt und unserer Wahrnehmung zu vermitteln und diese Aspekte der Welt ineinander zu verschmelzen.

Die Malerin arbeitet häufig "plein-air", malt in der Landschaft. "In" der Landschaft, weil sie die Landschaftsmalerei nicht als vordergründiges Abbilden und Darstellen interessiert, sondern in ihr wie auch im Bild umherwandert und mit dem Pinsel erkundet. Mit schwungvollem Duktus und zeichnenden Bewegungen nähert sich die Künstlerin dem Motiv an, schichtet Farbflächen, intensiviert Farbempfindungen, abstrahiert dabei auf Wesentliches.
Dabei begibt Uta Jeran sich geografisch und künstlerisch auf die Pfade bedeutender Vorgänger. Wenn sie malerisch den Mont St. Victoire in Südfrankreich beschreitet und so auf Paul Cezanne als einen der Wegbereiter der modernen Malerei Bezug nimmt. So auch, wenn die Malerin an der Küste Pommerns die Übergänge von bläulich grauen Horizonten zu gelblich grünen Hügeln auslotet, oder die, wie in Caspar-David-Friedrichs berühmten Gemälde "Das Eismeer", gebrochenen und sich auftürmenden Eisschollen in ein Bild setzt. Und doch findet Uta Jeran in diesen Annäherungen an landschaftliche Motive ihre ganz eigenen Wege und neuen künstlerischen Übersetzungen. Vielfältige Eindrücke gerinnen zu einer Komposition - einer Konstellation von Farbtönen, einen Rhythmus der gesetzten Striche, ein Spiel der Schichten und Überlagerungen. Land wird als Form und Farbe, als Bewegung und in der Anschauung sichtbar und erfahrbar. Das Land wird erschaffen und so zur Landschaft.

Die Bilder von Uta Jeran ermöglichen einen Moment der Schwebe - erzeugen einen Zustand von wundervoller Leichtigkeit im Wechselspiel zwischen einem landschaftlichen Motiv und der künstlerischen Bearbeitung.
Als Betrachter und als "Ausstellungsbegeher" können wir selbst diese verschiedenen Formen der Welt erkunden, können in Bildern wandern und Erinnerungen an Landschaften wachrufen, uns zwischen dem Hiesigen und dem Fernen treiben lassen.

© Marcus Schramm
Greifswald / 2020

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"Farbräume und Sinnesfelder"


Sandiges Ocker weht über den Boden, blühendes Gelb leuchtet, im Wind schwingt ein trockenes Grün. Weiches Blau plätschert, leichtes Weiß schmilzt dahin, in der Ferne schwebt Hellblau. Es raschelt und rauscht, das Licht flirrt - man spürt Wärme, die Weite und die Dehnung des Moments.

Es scheint das Wesen von Sprache und Kunst im Allgemeinen und der Bilder der Künstlerin Uta Jeran im Besonderen zu sein, zwischen der Welt und unserer Wahrnehmung zu vermitteln, beides aufeinander zu beziehen und ineinander zu verschmelzen. Die Malerin Uta Jeran arbeitet häufig "plein-air", malt in der Landschaft. "In" der Landschaft, weil sie die Landschaftsmalerei nicht als vordergründiges Abbilden und Darstellen interessiert, sondern in ihr wie auch im Bild umherwandert, den Blick schweifen lässt und mit dem Pinsel erkundet. Mit schwungvollem Duktus und zeichnenden Bewegungen nähert sie sich an, schichtet Farbflächen, abstrahiert dabei auf Wesentliches. Das Bild ist Abbild eines erlebten Bildes - erlebt im Prozess des Gestaltens mit malerischen Mitteln und des Abgleichens mit dem Sichtbaren. Im Fokus dieses künstlerischen Erlebens steht dabei für die Malerin immer die Auseinandersetzung mit der Komposition von Form und Farbe. Aus einem Blick, aus einem Zuwenden, aus einer Situation entsteht ein Bild, das Farbräume und Sinnesfelder eröffnet.
Dabei wandelt Uta Jeran künstlerisch und geografisch auf den Pfaden bedeutender Vorgänger, wenn sie malerisch den Mont St. Victoire beschreitet und ihn zum Motiv wählt, und so auf Paul Cezanne als einen der Wegbereiter der modernen Malerei Bezug nimmt.
Jerans malerische Sujets sind breit gefächert - neben den schon erwähnten Landschaftsbildern bearbeitet die Künstlerin Interieurs und Stilleben, Figuren und Akte, Stadtausschnitte und Momentaufnahmen. In ihren grafischen Arbeiten greift sie einzelne Motive auf, erweitert ihre Bildgeschichten mit Bezügen zu Erzählungen oder Märchenhaftem. Warum diese Vielfalt? Es ist sicher einerseits die künstlerische Neugier und Suche, mithin die künstlerische Freiheit, sich auf unterschiedliche Gegenstände und neue Themen einzulassen und diese zu bearbeiten. Es scheint aber auch andererseits die Möglichkeit und insbesondere die Lust zu sein, sich die Welt mit der eigenen visuellen Sprache anzuschauen, zu erkunden somit zu eigen zu machen.
Uta Jeran filtert in ihren Bildern vielfältige Eindrücke und verarbeitet diese in eine Komposition - in eine Zusammenstellung der Farbtöne, einen Rhythmus der gesetzten Striche, ein Spiel der Schichten und Überlagerungen. Sie formt ein Bild als eine Art Klang.
Und so schaffen die Bilder von Uta Jeran einen Moment der Schwebe - erzeugen einen Zustand von wundervoller Leichtigkeit im Oszillieren zwischen einem Motiv und der künstlerischen Bearbeitung. Es bleibt ein Wechselspiel, eine Gleichzeitigkeit von Farbwirkungen und malerischen Gesten mit Andeutungen und Erinnerungen an Landschaftliches. Hier scheint das Arkadische als traumhafte und ideale Landschaft in der Erzeugung einer inneren Vorstellung von Landschaft und ihrer wahrnehmenden Aneignung zu liegen.

Als Betrachter fühlt man zu taumeln, kann den inneren Fokus gleichzeitig scharf und unscharf stellen, sich zwischen dem Hiesigen und dem Fernen treiben lassen.

© Marcus Schramm

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"Leichtigkeit"


Rede zur Eröffnung der Ausstellung "federleicht und erdenschwer" von Uta Jeran in der Remise "degewo" Berlin, Pankow Uta Jeran hat sich eine philosophische Rede zu ihrer Ausstellung gewünscht. In einem fröhlichen Moment geistiger Umnachtung habe ich ihr diese zugesagt und im Folgenden werde ich nun darlegen müssen, daß die gewünschte Rede, bevor sie eine philosophische wird, sich erst mal durch jede Menge Wildnis arbeiten muß, da keiner der großen Philosophen unserer Tage, nicht die Franzosen, nicht die Amerikaner, nicht die Engländer, und die Deutschen sowieso nicht, skandalöserweise das thematisiert haben, was einzig Thema dieser Rede sein kann, was nicht minder ein - wenn nicht das! Thema unserer Gegenwart ist und im Eigentlichen auch als Thema über dieser Ausstellung steht, nämlich die Leichtigkeit, jenes Federleichte, das meistens licht und blau in Uta Jerans Bildern einzieht, wenn ich an die wunderbare Ausstellung denke, die sie 2009 bei uns im Kunstpavillon Heringsdorf zeigte und die sich hier mit starken Farben zusammentut, die, bei aller Leichtigkeit, für Wucht und Schwere sorgen. Sie arbeitet da an etwas Großem. Wie groß, das herauszufinden, wird nun die Aufgabe dieser Rede sein, wobei wir leider auf die geschätzte Zuarbeit der Philosophen verzichten müssen. Entweder haben diese geschlafen oder sie waren überfordert. Ich schätze mal, sie waren überfordert und das hat einen guten Grund.
Aber zunächst - worüber reden wir? Was ist Leichtigkeit? Jedermann geläufig und keinem Denkenden deutlich, ist sie in unseren Tagen ein Wert geworden, das bedeutet etwas Unsterbliches, etwas, was tief in die Brust der Menschen sinkt und von Generation zu Generation weitergetragen wird. Sollte es so sein, daß sich jede Epoche in das Gedächtnis der Menschheit hineinstempelt in Form eines Wertes, als dem ihr eigensten und unverwechselbaren Logo, dann ist die Leichtigkeit der Code unserer Tage, und gleichzeitig eben unser Wert, unser Goldklumpen, unser blau schimmernder Riesen-Diamant, nach dem die Menschen suchten, im Dreck und im Schlamm, seit Ewigkeit unsägliche Mühsal auf sich nehmend und den wir, nun, da wir ihn gefunden haben, unversehrt weiterzureichen haben an unsere Nachfahren auf dem ganzen Erdball.

Gewiß - als Eigenschaft von irgendwas taucht die Leichtigkeit in den philosophischen Debatten hin und wieder auf, verblüffend selten, aber immerhin z.B. in dem schönen Satz von Sören Kierkegaard "Unter dem Himmel der Ästhetik ist alles so leicht (so leicht!), so schön, so flüchtig; kommt die Ethik angeschritten, so wird alles hart, kalt und unendlich langweilig." (Philosophische Schriften ) Es ist ein Satz voll geballter Klugheit. Er steckt das Leichte zur Ästhetik und zum Schönen. Er erklärt die Leichtigkeit damit zu einer Sache der Sinne und dann assoziiert er auch noch den Himmel, Uta Jerans zauberische Bläue. Damit hat er vielleicht schon den Grund benannt, warum, abgesehen von ein paar zeitgenössischen Vagabunden, kein wirklich ernstzunehmender Denker, meiner Wahrnehmung nach , sich des Themas bemächtigt hat. Die Philosophie, - ja,- letzten Endes alle aufgeklärte Rationalität, muß durch die Grundschule der alten Griechen durch und die Griechen sind die, die das Denken geordnet haben. Man glaubt es kaum -, sie sind die mit der Ordnung, dem Gesetz und der Geometrie. Könnte es sein, daß die Leichtigkeit sich irgendwie ungeometrisch verhält, irgendwie schräge, eben daneben für jeden wohlerzogenen Philosophen, so daß er schnell wegguckt, weil er blitzschnell erkennt, da ist was, was ich nicht fassen kann. In der Tat, die Leichtigkeit wäre nicht Leichtigkeit, wäre sie zu fassen, wäre sie, wie man zu sagen pflegt, feststellbar. Sie ist zweifellos vorhanden, richtig irdisch materiell und wahrnehmbar, sie macht uns alle lächeln, aber wenn man sie greifen will, flüchtet sie, wie es Kierkegaard gleich bemerkt hat. Und dann denkt man vielleicht als Philosoph, ach, laß sie doch! Sie ist so leicht , die Leichtigkeit und was nicht von Gewicht ist, ist das wichtig? wohl doch eher nichtig, jedenfalls nicht eine von den Säulen, auf denen die Welt ruht. Wenn er da mal nicht irrt.
Milan Kundera landete 1982 einen Welterfolg mit einem Buch, das, als Literatur genommen, aus meiner Sicht kein ganz großer Wurf ist, aber einen Titel trägt, der noch heute wie eine Formel des Zeitgefühls anmutet "Die unerträgliche Leichtigkeit des Seins" . Man griff wie unter Hypnose zu diesem Buch und seiner seltsamen Geschichte mit der seltsam verwischten Nietzsche-Philosophie. In diesem Moment fiel es einem wie Schuppen von den Augen: die Leichtigkeit ist ein Wert geworden, ein hohes Gut und es handelt sich womöglich um den subversivsten Wert, den die Menschheit je hatte. 1000e von Jahren tasteten sich Menschen wie Blinde durch das Dickicht der Zeit. Sie suchten nach was. Sie suchen immer nach was und wissen nicht richtig was. Sie zünden dafür Revolutionen an, Kriege, Eroberungen. Noch immer fließen Hektoliter von menschlichem Blut die Böschungen der Geschichte hinab. Lange Zeit glauben die Menschen, sie suchen nach Glück, oder Gerechtigkeit - aber vielleicht ist es gar nicht das Glück oder die Gerechtigkeit, nach der sie suchen? Vielleicht sind Gerechtigkeit und Glück stets Teil eines Größeren. In der DDR gab es verhältnismäßig viel Gerechtigkeit. Fast jeder kriegte keine Wasserhähne, keine Auto, kein Telefon, kein Westbuch, keine Beatle-Platte, keine Westreise. Das war doch sehr gerecht. Aber war es schön? War es das, was wir wollten? Schön war es am FKK und in den unglaublichen Datschen, die wir irgendwie zusammenfriemelten und schön war es an den Abenden mit den vielen Freunden beim grausamen Kadarka und den unerschöpflichen Zigarettenpackungen, Marke Juwel oder F6. Vielleicht geht es darum, ein Lebensgefühl wiederzufinden, das die Menschen als gemeinsame Urerinnerung in ihren Herzen tragen. Die Erinnerung an das Hier und Jetzt, in dem sie einst gelebt hatten, als sie noch sorglos über die Welt streiften, kostenlos wohlgenährt und bestens gerüstet durch Mutter Natur, spielerisch und unsäglich frei. Ist es das, wonach die Utopien der Völker tasten?
Erinnerungen an eine glückliche Urzeit gibt es auf allen Erdteilen in fast allen Völkern, in den Hochkulturen, wie in den Gesellschaften mit aneignender Wirtschaftsweise. Es ist eine Geschichte, die uns wie keine zweite mit Menschen aller Art verbindet. Fast möchte ich sagen: es ist der einzige Faden, der uns verbindet bzw. der einzige Grund, der uns berechtigt, von so etwas wie Menschheit zu sprechen. Verbirgt sich nun hinter den biblischen Ideen von der Heilsgeschichte und der Erlösung ebenfalls die Erinnerung an den schönen Urmenschen, eine Erinnerung, die das keineswegs sehr machtvolle Häuflein von listigen Händlern und staubigen Viehhirten und tapferen Propheten in der Bibel den sie umringenden glanzvollen Hochkulturen entgegenhielt, den göttlichen Ägyptern, den machtvollen Babyloniern, den neureichen Hethitern und den weitgereisten Phöniziern? "Siehe das Zelt (Laubhütte) Gottes bei den Menschen! Und er wird bei ihnen wohnen und sie werden sein Volk sein und er selbst, Gott mit ihnen, wird ihr Gott sein." So lautet die große Utopie des Autors der Johannes-Apokalypse. Der Apokalyptiker genießt keinen besonders guten Ruf bei den Theologen. Martin Luther hat sich nicht entschließen können, dieses sein Buch aus der Bibel zu streichen, aber er hat es an den Schluß des biblischen Kanons gestellt, und sich darüber beklagt, er könne den Geist Gottes darin nicht finden. Ja, der Johannes von Pathmos überzieht. Es ist die Zeit der schlimmsten Christenverfolgung. Er redet sich in Haß und dunkle aggressive Raserei. Aber in diesem eben zitierten Satz erreicht seine gequälte Seele eine unerwartete Schönheit und Klarheit und er formuliert eine große Idee. Gott in einer Laubhütte oder in einem Zelt bei den Menschen! Der Allmächtige wohnhaft in der denkbar leichtesten und flüchtigsten Architektur hinieden auf Erden inmitten einer steinernen Menschenstadt mit all ihren eingefahrene Wegen und Abläufen. Äußerste Leichtigkeit inmitten allergrößter Schwere. Eine wahnwitzige Vorstellung!
Kundera wittert ebenfalls diese Nähe, diese Verwandtschaft zwischen seiner (unerträglichen) Leichtigkeit und den glückseligen Paradieserinnerungen der Menschheit.
Er sagt "Der Vergleich zwischen Karenin und Adam bringt mich auf den Gedanken, daß der Mensch im Paradies noch nicht Mensch war. Genauer gesagt: der Mensch war noch nicht auf die Bahn des Menschseins geschleudert. Wir aber sind längst darauf geschleudert worden und fliegen durch die Leere der Zeit, die auf einer Geraden abläuft. Doch existiert in uns immer noch eine dünne Schnur, die uns mit dem fernen, nebelhaften Paradies verbindet, wo Adam sich über die Quelle neigt und, im Gegensatz zu Narziß, nicht ahnt, daß dieser blaßgelbe Fleck, der im Wasser auftaucht, er selber ist. Die Sehnsucht nach dem Paradies ist das Verlangen der Menschen, nicht Mensch zu sein."
Kunderas gewaltiges Liebespaar stirbt.
Nein, so schön die Passage ist und so richtig ich sie erst mal finde, beim Schlußsatz muß ich widersprechen. Nein, wir wollen Menschen sein. Wir wollen denken, wir wollen erkennen, es bereitet uns Genuß, zu suchen und zu finden, zu bauen und zu wollen und eine verrückte Welt von Stückwerk um uns aufzubauen. Wir wollen die Kultur, auch wenn uns ihre Auswüchse, all die ungeheuerlichen Praktiken, von der Kopfjagd bis zum Lilienfuß, vom Menschenopfer bis zur Kinderarbeit, von der Massentierhaltung bis zum vergifteten Flußufer, aufs tiefste entsetzt und beschämt und in Zweifel stürzt. Aber wir wollen nichtsdestotrotz die Kunst, die Technik , die Wissenschaft, und wir wollen offenbar auch die Gemeinschaft mit den Menschen, die Feste, die Pflichten und Vergnügen, die Lügen und die Gesetze, die diese Gemeinschaft regeln. Aber gleichzeitig wollen wir die Nabelschnur mit unseren ersten menschlichen Ahnen, wollen wir die Leichtigkeit aus der Urzeit nicht verlieren. Vielleicht nicht nur, weil sie schön ist, sondern auch, weil nichts schön ist ohne sie. Nichts ist schön ohne Leichtigkeit und Freiheit, nicht mal die Gerechtigkeit, wie ich vorhin zusagen versuchte. Das hat mich die DDR gelehrt. Und darum ist die Vorstellung von dem Gott, der in einem Zelt vor dem Brandenburger Tor haust, keine Verrücktheit, kein Hirngespinst, es ist vielmehr eine zwingende Notwendigkeit, weil man ohne sie das Menschenspiel nicht gut hinkriegt. Nochmal: Ohne eine gewisse göttliche Leichtigkeit, diese wunderbare hochschöpferische Absichtslosigkeit, oder - mit Heiner Müller - ohne eine strenge Verantwortungslosigkeit ist nichts gut.
Die Demokratie ist viel mehr als nur eine Epoche unter vielen Menschheitsepochen. Da ist etwas gelungen, wonach wir, behaupte ich, seit dem Sündenfall die ganze Zeit gesucht haben, ohne es benennen zu können.
Und doch lag es immer in der Luft, in Uta Jerans leichtem Strich und Bläue. Unsere Gegenwart begann damit, daß sie sich als tönende Wolke über den Baumwollfeldern von Alabama und Missisipi erhob und um die ganze Welt geflogen kam. Sie hieß Blues oder Swing und war die erste Leichtigkeit, die das alte Europa streichelte nach einer langen langen langen Zeit der Disziplinierung, die erfolgte, nachdem ihm seine zauberschönen griechischen Kinderschuhe zu klein geworden waren. Die Leichtigkeit, die da über den Atlantik geflogen kam, verwirrte und erschreckte Europa. Es trug damals hautenge Paradeuniformen mit Stehkragen und goldenen Schnüren und die Damen Korsett und Tornüre und die Paradeuniform wechselte am Teetisch mit dem Korsett gedrechselte Artigkeiten. Man war sittsam und gebildet und gleichzeitig sehr lieb und sehr böse, sehr rational, sehr kalt und sehr empfindsam. Die Leichtigkeit hat das Schlimme nicht verhindern können, aber sie hat es besiegt. Mit Amerikas Swing und Jazz, mit Huckleberry Finn, oder mit einem Autor der nicht nur eine äußerst leichte präzise Sprache pflegte, sondern auch seinen besten Figuren eine traumwandlerisch sichere und elektrisierend einfache Leichtigkeit gab. Sie waren, unbekümmert, fraglos, selbstverständlich, eben aus der Neuen Welt. Ich meine Hemingways Mädchen mit den Blue Jeans und den Leinenschuhen und den weißen Blusen. Es ist komisch, daß die Hemingway-Mädchen in Hollywood keine Rolle spielten . Rita Heyworth, Marilyn Monroe, Liz Taylor, Sophia Loren, Anna Magnani, Ingrid Bergmann, die Bond-Girls, auch nicht Audrey Hapburn (zu elegant, zu kapriziös) und auch nicht die große Masina, noch die großen Stars der Gegenwart haben dieses lässig Leichte. Der einzige, dem da vielleicht was gelungen ist, ( trotz des überarbeitungsbedürftigen sinnfälligen Schlusses), war Jürgen Böttcher Strawalde mit seinem bereits in der Rohfassung verbotenen Spielfilm Jahrgang 45 mit einem großartigen Rolf Römer und einer Leichtigkeit in den Dialogen, im Spiel, in der Kamera, die seinesgleichen sucht.( Weil ich ihn morgen besuche, telefonierte ich mit ihm und er sagte, es gebe in Amerika eine DVD dieses Film, und da hätten sie drauf geschrieben, der Film hat den Ton und die Energie des frühen Goddard - ja, und noch viel mehr, habe ich dann ergänzt. Aber zu seiner Entstehungszeit durfte das Publikum den Film nicht sehen. Dennoch war in uns allen auf rätselhafte Weise etwas von dieser Leichtigkeit und hat uns geprägt . Als Christa Cremer vor 2 Jahren starb, fand man in ihrem Kleiderschrank, ich glaube, 60 weiße Blusen. Sie war dieses schlanke leichtfüßige braungebrannte Hemingway-M ädchen und sie war bereits in ihrer Jugend eine Ikone. Die Mehrzahl der Künstler der Moderne haben sich mit der Leichtigkeit verbandelt und mit ihr auf verschiedenste Weise gearbeitet, von den Impressionisten, über Picasso bis zu Penck und Strawalde. Doch ich weiß keinen, der sie so direkt thematisiert hat wie die Uta Jeran, die ihre Sujets nicht nur ins schöne Licht der Leichtigkeit hüllt , sondern die Leichtigkeit selbst in paradox radikal-leichter Art auftreten läßt, als wüßte sie bereits, was wir erst mal nur in unseren Herzen hatten, daß sie, die wundersame flüchtige Leichtigkeit, das hohe Gut, der blaue Goldklumpen, daß die Leichtigkeit das Zeichen unserer Zeit ist und zweifellos eine von den erhabenen Säulen, auf welchen die Welt ruht.
Wozu war sie noch mal gut? Um dem schweren Menschsein zu entkommen? Nein, überhaupt nicht! Um das Menschsein schön zu machen? Ja! Um die Schwere des Menschseins zu verbrüdern mit der Leichtigkeit unserer Herkunft, um die Hitze auf unseren gequälten Stirnen wegfächeln zu lassen von dem berühmten spielenden Kind, das nach Heraklit das Universum ist? Ja, irgendwie so.. Wir haben also die ganze Zeit, während wir auf Utas Bilder blickten, über eine Utopie geredet, die jedoch kein Unort ist, aber ein flüchtiger Ort, ein Zelt, eine Zeltopie, die ihre Revolutionen leise macht, die kommt, wie der Dieb in der Nacht, und keine Helden braucht und keine Diktatoren und keine Gulags und keine Folterkeller und keine Stasis und doch die ganze Welt um- und umwerfen kann.
Ich sagte anfangs, Uta Jeran ist da an etwas Großem dran. Ja, sie tut das, was man tun soll, wenn man Künstler ist, sie formuliert Zeitgeist. Sie bringt ihn zur Form und zu Bewußtsein und das ist wie ein zur Welt bringen. Und es ist wichtig, daß sie dem Federleichten in der letzten Zeit vermehrt die Erdenschwere beigesellt aus 2 Gründen. Den ersten kann uns Schiller sagen, der in seinem 16. Brief "Über die ästhetische Erziehung des Menschengeschlechts" über die "schmelzende Schönheit" - (ich nehme an, er meint damit so ungefähr die Leichtigkeit, aber er findet das Wort nicht oder fürchtet es, weil es allzuschnell trivialisiert und banalisiert werden kann) - also er schreibt über "die schmelzende Schönheit" , sie bedürfe der Gegenüberstellung der energischen Schönheit, denn diese ist es, die "die zivilisierten Klassen" vor ihrem Sittenverfall, der sinkenden Kraft des "Formtriebes" bewahren kann. Beide Schönheiten müssen wechselseitig wirken, denn, wenn die schmelzende Schönheit überwiegt, drohen Weichlichkeit und Entnervung', (und Beliebigkeit, füge ich hinzu), über wiegt aber die energische, dann drohen Wildheit und Härte. Das ist der eine Grund, warum ich Uta Jeran gratulieren möchte zu diesem starken Zusammenspiel von Leichtem und Schwerem hier vor unseren Augen. Du hast einen Volltreffer gelandet, liebe Uta. Ich sehe aber noch einen zweiten Grund für die Paarung dessen, das Du Federleicht und Erdenschwer nennst.. Ich habe ihn bereits benannt , aber ich möchte ihn noch einmal widerholen, damit er sich nach Möglichkeit in der Erinnerung festhakt - auch wenn sich die Leichtigkeit niemals abnützen ließe, so ginge es dennoch nicht darum, die Welt leicht leichter und nochmals leichter zu machen, bis zuletzt das Nichts kommt, wie es der große Buddha als einzige Lösung des menschlichen Problems sah, oder Mohammed mit dem glückseligen Jenseitsen in Allahs Antiwelt. .Es kann nicht darum gehen, die Welt zu verwerfen. Es geht darum, sie nicht loszulassen und sie aus ihren vielen Sackgassen und Verkrampfungen zu lösen, ihr die traumwandlerische Sicherheit der Leichtigkeit zu schenken, mit der sie angetreten war und diese Leichtigkeit, die Flüchtige ,die Lebendige, immer wieder neu zu suchen und zu umwerben, auf daß sie ihr Zelt baue unter uns erdenschweren Menschen und, wenn möglich, eine Weile bei uns bleibt.
So, wie Du, Uta, hier Schweres und Leichtes zusammen führst, so hoffe ich, gelingt es uns im täglichen Tichten und Trachten, die lebendige Leichtigkeit mit unserem Menschsein zu verbandeln, damit wir Menschen bleiben können.
Ich danke Dir, liebe Uta, daß ich vor der tollen Kulisse Deiner Bilder sprechen durfte und ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

© Ricarda Horn 13.11.12

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2007 Micha Bartsch anlässlich der Ausstellung in der Galerie Raum 5



Werte Besucher der Ausstellung von "Uta Jeran Neue Bilder- Malerei"!

Wenn ich einige Worte zu Uta Jerans Ausstellung in der Galerie "raum 5" und den hier präsentierten Arbeiten sage, so geschieht das aus einer Position des Freundes und Kollegen, der mit ihrem künstlerischen Werdegang über viele Jahre vertraut ist.
Das erste Kennenlernen fand vor rund dreizehn Jahren während des Studiums an der Kunsthochschule Berlin Weißensee auf einer Studienreise der Malereistudenten statt. Reiseziele waren eine Max Beckmann Ausstellung in Stuttgart, dann weiter über Straßburg nach Colmar zur letzten Station, den "Isenheimer Altar" von Matthias Grünwald. Ein Seherlebnis von dem man lange beeindruckt bleibt und das einen Maler lange begleitet.
Anfangs war unser Kontakt in den Räumen des Monbijouparks , wo der Fachbereich Malerei sein zu Hause hat, noch spärlich, obwohl wir beide den gleichen Professor, Dieter Goltzsche, gewählt hatten. Unsere gemeinsame künstlerische Haltung machte aber ein Aufeinander zugehen leicht und oft kam es zu kleinen Treffen in den dortigen Atelierräumen. Für mich waren das wichtige und nützliche Stunden, die mir einen Einblick in die malerische Arbeitsweise und auch Themenwelt meiner damaligen Kommilitonen eröffnete.
So ergab sich für mich auch die Möglichkeit einer Annäherung an Uta Jerans Malerei, an ihre bildnerische Farb- und Formsprache, sowie ihre Themenwelt. Damals wie heute sind vor allem das Figurative, das Stillleben, die Landschaft oder intensive Erlebnisse in ihrem Leben der Ausgangspunkt ihres bildnerischen Schaffens.
Die Bildwelt von Uta Jeran, ihre Farben, Formen und Themen, mit denen sie sich künstlerisch auseinandersetzt, erscheinen mir sozusagen deckungsgleich mit ihrer Person zu sein. Man könnte hier wohl auch von einem gefundenen Stil sprechen, was wohl stimmt und eben wieder nicht.
Das großzügige Behandeln von Farbe und Form, die spielerische Freiheit ihrer Bildgestaltung ist für mich bezeichnend für ihre Malweise. Es entsteht der Eindruck der Entschlossenheit des Farbauftrages, einer malerischen Souveränität, die ganz selbstverständlich erscheint. Aber der Eindruck, der in mir oft entstand, das Bild sei in einem Zug oder in wenigen Stunden entstanden, trügt. Bei meinem letzten Besuch in ihrem Atelier sagte Uta, das viele Bilder im folgenden Malprozess immer wieder überarbeitet werden und der malerische Ausdruck hinterfragt wird. Im Vordergrund steht das Ringen um die bestmögliche Bildlösung. Uta Jeran organisiert die Farbe solange, bis sie ihrer Gefühlsintensität entspricht. Die Verwendung dekorativer Elemente, so sagte sie mir im Atelier, ist für ihre Malerei ein wichtiges stilistisches Gestaltungsmittel. Aus meiner Sicht entwickelt sie dekorative Bildelemente, um den Bildraum zu klären, ich empfinde diese aber auch als einen leidenschaftlichen Impuls in malerischer Form.
Der Bezug zur Natur, zum Erlebnis, egal ob aus der Zeit ihrer Kindheit und Jugend in Greifswald, in der Nähe zum Meer, oder später hier in Berlin, spiegelt sich in ihrer Bildsuche wieder. Ich vermute, es ist die Suche nach etwas Reinem und Klaren im übergeordneten Sinne. Vielleicht als Antwort für das Leben in der Großstadt und als Sehnsucht nach der Kindheit im Allgemeinen. Ihre Farb- Form- und Themenwahl versuchen dieser Suche, diesem Gefühl Ausdruck zugeben. Die Titelwahl und malerische Ausführung, wie zum Beispiel in einem früheren Bild "Meerfrau", stehen für mich exemplarisch für Utas Schaffen. Die dargestellte Nixe, halb Mensch halb Fisch, ihre Sehnsucht nach perfekter Bewegung in zwei Sphären, im Meer und auf der Erde, dieses "fabelhafte" Doppelwesen steht für mich für die Künstlerin Uta Jeran. Der Spagat, den die Nixe probiert, und das ist eine Vermutung von mir, wird bewusst als Spagat der eigenen Lebenssituation empfunden, der Wunsch, sich ganz in den beiden Lebenswelten, denen der Kunst und des Alltags, zurecht zu finden, aus denen die Malerin ihre Bildwelten schöpft. Bei meinem Besuch im Atelier zeigte mir Uta auch einige neue Arbeiten, mit dem Thema "Märchen und Mythen", die zum Teil hier zu sehen sind. Diese Arbeiten deuten einen neuen Weg in ihrem Schaffen an.
Es sind Papierarbeiten, die geschnitten und teilweise collagiert wurden. Die Anregung für diese Blätter erhielt Uta nach eigener Aussage aus dem großen und verführerischen Angebot der Pop-up Kinderbücher, die in den Bücherläden immer mehr Raum einnehmen. Das hat seinen guten Grund, wirken doch viele dieser Bücher in ihrer Gestalt sehr auf die Phantasie, ist ihre Gestaltung in den klaren Formen und zum Teil sehr reinen Farben höchst anregend. Hinzu kommt vielleicht auch unterbewusst der Wunsch, der alle Künstler bewegt, das Leben mit den Augen eines Kindes zu betrachten, um dann künstlerisch- schöpferisch und produktiv zu sein.
Die Entscheidung mit der Schere die Linie zu schneiden bedeutet für den Künstler, die Papiermaterie zu disziplinieren, zu beleben und in ihrer Wirkung zu steigern. Das heißt auch, dass die Schere mehr Gefühl für die Linie entwickeln kann als ein Zeichenmittel wie zum Beispiel der Bleistift oder die Kohle. Durch den Schnitt mit der Schere entsteht auch tatsächlicher Raum, das geschnittene Blatt wird zum Relief. Uta verzichtet bei ihren Arbeiten ganz auf das Mittel der Farbe, da sie, so sagte sie mir, so monochrom wie möglich bleiben will, nur der Schnitt der Schere und der darauf folgende Schatten auf dem Papier sollen als Farbwerte gelten. Das erscheint mir logisch, da schon die entstandenen Linien und Volumen bewältigt sein wollen, und Farbe würde diese Schwierigkeit nicht erleichtern.
Maler wie Henri Matisse haben diese Pfade schon betreten und Neuland erkundet auf dem wir uns jetzt bewegen können. Mir geht es da so wie vermutlich auch Uta, man fühlt sich wohl in solcher Gefolgschaft, aber es verpflichtet auch. Man muss sozusagen weitermachen, da, wo andere angedacht haben oder noch gar nicht waren, die eigene schöpferische Kraft bilden und entwickeln. Das bedeutet, und hier möchte ich Matisse einmal zitieren: "Der Gegenstand muss mächtig auf die Phantasie einwirken, das Gefühl des Künstlers, das sich durch ihn ausdrückt, muss den Gegenstand interessant machen: er sagt nur aus, was man ihn sagen heißt."
Die Ausstellung in der Galerie "raum5" zeigt in eindrucksvoller Weise den Gegenstand, der uns von Uta sagen heißt und ich bin gespannt, wie Uta ihren gefundenen Pfad weitergeht. Der Ausstellung wünsche ich die gebührende Aufmerksamkeit und Erfolg. Vielen Dank

Michael Bartsch 02.März 2007

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Rede von Jessica Ullrich anlässlich der Ausstellung in der Galerie Nord 2003 Uta Jeran und Massoud Graf-Hachempour "Reihungen"



Das gemeinsame Thema von Uta Jeran und Massoud Graf-Hachempour ist wie der Ausstellungstitel schon verrät die Reihung, dieSerie, damit auch die Wiederholung und ständige Variation einmal gefundener Motive oder Formen. Beide beschäftigen sich mit großer Ernsthaftigkeit mit ihren jeweiligen Themen ohne Rücksicht auf das, was in der Kunst gerade zeitgeistig ist.

... Uta Jeran hat eine klassische Malausbildung durchlaufen und war an der Hochschule Weißensee Meisterschülerin bei Dieter Goltzsche. Mit dem klassischen Erbe geht sie jedoch unverkrampft um und zeigt keinerlei Interesse an der akademischen Tradition des Ästhetischen. Ihre Themen allerdings sind durchaus klassisch zu nennen: Sie malt sinnliche Akte, Köpfe - oftals düster-sensible Seelenprotokolle - und arkadisch- durchlichtete Landschaften.
Jeran beginnt ein Bild immer mit einer konkreten Vorstellung, Vorzeichnungen macht sie jedoch nicht. Als genuine Malerin argumentiert sie allein aus der Farbe heraus. Acryl verwendet sie dabei, um schneller ihrer Bildidee Form geben zu können. Der impulsive Pinselstrich und das grell- leuchtende, aber manchmal auch schmutzig-stumpfe Kolorit erinnern zuweilen an die expressive Malerei der Jungen Wilden. Doch die temperamentvolle Skizzenhaftigkeit ihrer Malerei täuscht: die Bildentstehung ist ein langwieriger Prozess, immer wieder nimmt sie sich die Leinwände vor, bis die innere Ordnung und der gewünschte Ausgleich von Farbe und Form erreicht sind.

In Uta Jerans Bildern ist die expressive Auflösung des Figuralen nie bis zur Abstraktion getrieben. So bleiben die großzügig angelegten Körperformen immer erkennbar als Akt oder Kopf. Die weiblichen Akte entstehen sowohl vor dem Modell, als auch nach Erinnerungsbildern oder aus der reinen Vorstellung heraus. Die formal stark reduzierte Gegenständlichkeit dient ihr vor allem dazu, kompositorische Konzepte zu verwirklichen. Dabei nimmt Jeran unbeirrbar auch falsche Körperproportionen in Kauf oder wählt disharmonische Gewichtungen im Kompositorischen, um dekorativer Gefälligkeit entgegen zu wirken. Es ist niemals das Porträt eines konkreten Individuums oder das platte Abschildern der Wirklichkeit gemeint, sondern geht immer um eine bestimmte Emotion oder einen seelischen Zustand, die durch die Köperhaltung ausgedrückt werden soll, bzw. sich in dieser spiegelt. Begehren, Leidenschaft, Verletzlichkeit, Lust, Aggression, Heiterkeit, Zorn, Lebensfreude, keine menschliche Regung ist ihrer intuitiven Imagination fremd. (Ihre sprechenden Titel künden davon.)

Nicht von vorneherein intendiert, doch als gelungene Koinzidenz erscheint, dass Jeran in den für diese Ausstellung entstandenen Bilder häufig dieselbe Farbigkeit wie Graf-Hachempour bevorzugt: schwarz, weiß, rot. Dabei ist ihre Farbgebung emotionaler als bei dem Bildhauer. Die Reduktion auf wenige Farben stellt insofern eine Herausforderung an die Malerin dar, da sie in den vergangenen Jahren meist auf eine breitere Palette zurückgriff. Oft eignet sich die Untergrundfarbe als gedanklicher Ausgangspunkt, der den weiteren Farbklang vorbestimmt. So bezieht sie den schwarzen Grund> einiger Blätter gezielt in ihre Kompositionen ein oder aber legt farbige Gründe an, um eine Basis für ihre Malerei zu schaffen.

Jeran benutzt aber nicht nur die Farbe ihrer Bildgründe als Inspirationsquelle, sondern verwendet zuweilen bereits bemalte Leinwände oder bedient sich beschrifteter Papierbögen, etwa aus Zeitschriften, die leicht durchschimmern. Bei früheren Arbeiten hat sie auch collagiert, gemusterte Papiere, Stofffetzen oder Blätter in ihre Bilder eingearbeitet. So entsteht Neues auf dem Humus von alten Bildfindungen. Inhaltliche Bezüge lehnt sie jedoch ab und negiert sie durch vehemente Übermalung, wenn sie sich als zu dominant erweisen. Komposition ist stets wichtiger als interpretierbare Bedeutung. Auch die haptischen Charakteristika der Untergründe üben einen besonderen Reiz auf sie aus, so sind die Wellen im farb durchtränkten Papier intendiert und schaffen eine neue bildplastische Kategorie.

Mit kräftig gesetztem Strich legt sie eine Körperillusion fest und strukturiert die Ausarbeitung des Bildthemas. Rasche, aber nicht flüchtige Pinselstriche fassen die Einzelheiten zusammen. Manche Blätter entfalten durch die lasierend und zart aufgetragene Farbe eine beinahe aquarellige Anmutung, andere wirken durch den deckenden Duktus wie Scherenschnitte von Matisse. Zarte Linien und dicke Kohlestriche wechseln sich ab, um Konturen anzulegen oder Akzente zu setzen. Graphische und malerische Elemente, flächige und räumliche Bildpassagen stehen so in spannungsvollem Gegensatz. Die Akte behaupten sich vor allem durch ihre starke Farbpräsenz in den in Aufruhr befindlichen Bildräumen. Die umgebende Farbfläche als Gefühlsumfeld des Körpers bleibt nicht an ihre jeweiligen Gegenstand gebunden. Maltechnik und Motivwahl durchdringen sich in ungebremsten Kolorismus.

Bevor sich Uta Jeran mit dem Thema der Reihung auseinandersetzte, dominierte das verwandte Motiv der Paarbildung ihre Leinwände. Auch in dieser Ausstellung finden sich Paare, die die Vereinzelung des Individuums scheinbar aufheben - wie die beiden großen Formate von vitaler Ursprünglichkeit und heiterer Farbgebung - aber auch Paare, die als schmerzhaft getrennt erfahren werden, wie etwa Hamlet und Ophelia, die als isolierte Figurenkonstellation auf einem jeweils eigenen Tableau auftauchen. Angeregt von Heiner Müllers Shakespeare-Bearbeitung Hamletmaschine entwirft Jeran ein düsteres Szenario der tragischen Existenz dieses berühmten Liebespaares. Hamlet fast nur aus Kontur bestehend ist rot silhouettiert wie das Blut, das er vergießen wird. Sein hockender buddhahafter gesichtsloser Körper füllt die ganze Leinwand. Ebenso massig, wenn auch keinesfalls massiv ist ihm Ophelia zugeordnet. Ihr verschattetes Gesicht und betontes Geschlecht weisen schon auf das drohende Unheil hin, das ihrer Beziehung entspringt. Obwohl Ophelia eher noch als Hamlet als Herrin ihrer Handlungen erscheint, liefert dieses Paar doch ein Abbild der Geworfenheit des Menschen. Der festgehaltene Augenblickseindruck wird zur Situationsbeschreibung des zuweilen verhängnisvollen Verhältnisses zwischen Mann und Frau. Dabei formuliert Uta Jeran keine endgültigen Bildaussagen; alles ist nur angedeutet, bleibt für eigenen Interpretationen offen. So sind beispielsweise auch die Gesichter ihrer Aktfiguren häufig mit breiten, heftigen Pinselstrichen durchkreuzt und unkenntlich gemacht. Das Gesicht wird dabei zur Leerstelle, die dem Betrachter Raum für Identifikation gibt, er kann sich selbst mit seinen psychischen Befindlichkeiten im Bild verorten. Die innere Haltung sowohl der Malerin als auch des Betrachters werden in der äußeren Identität der Bildwelt gespiegelt.

Trotz der seriellen Hängung und der stetigen Variation des inhaltlich gleichen Themas steht und wirkt doch jedes Bild für sich allein und legt in der Reihung niemals eine lineare Narration nahe. Jedes Bild gewinnt durch die starke körperliche Präsenz ein authentisches, nur ihm eigenes Sein. Hier zeigt sich die Stärke von Jerans Figuration, die sich auf pure Existenzbeschreibung konzentriert.

Die Kunst sowohl von Uta Jeran als auch von Massoud Graf-Hachempour hat es sich zur Aufgabe gemacht, die Welt in ihrer Vielfalt zu ordnen, Jeran tut das indem sie sich an wenigen figürlichen Motiven, der Frau, dem Kopf, der abstrahierten Landschaft in immerneuen bildmächtigen Farbtafeln abarbeitet, Hachempour, indem er die verschiedenen Entwicklungs- und Verwandlungsmöglichkeiten eines einzigen Elements in alle erdenklichen Richtungen ausprobiert. Das kompositorische Repertoire beider Künstler ist reduziert, jedoch nie redundant.

Das durchschaubare Ordnungssystem der Reihung steht zwar in der Tradition des seriellen Minimalismus, ist hier jedoch ohne dessen kühle und schematische Rationalität aufgefasst. Jerans und Graf-Hachempours Arbeiten bieten vielmehr Felder der Erfahrung und Reflexion, die nicht im kognitiven Intellekt, sondern ganz und gar in den schöpferischen Möglichkeiten der Farbe und der Form angesiedelt sind.

Klang, Gegenklang und Harmonie sind Kompositionselemente sowohl der plastischen als auch der malerischen Positionen, die sie heute hier erfahren können. Bei beiden Künstlern werden auf den ersten Blick simple Motive durch fortschreitende Metamorphose komplexer, die Entwicklung der Formfindung im künstlerischen Schaffensprozess und das handwerkliche Tun werden zum Nachvollzug durch den Betrachter offen gelegt. Sie sind jetzt aufgefordert, den Raum für innere Anschauung und denkendes Sehen, der ihnen heute hier eröffnet wird, zu nutzen.

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Text von Ursula Cosmann anlässlich der Eröffnung der Ausstellung mit Cornelia Gutsche und Michael de Maiziere in der Galerie Ingeborg Vagt , 2000




Uta Jeran trat Mitte der neunziger Jahre in Berlin und in Norddeutschland mit ersten Arbeiten in Erscheinung... .Ihre dominierenden Themen Landschaft, Stilleben, Figurationen unterzieht sie einer zuweilen sperrigen Bildregie - einer unkonventionellen Gestaltungsweise. Dabei wechseln warme Rottöne mit kühler breitflächiger Farbpalette. Ihre stets im Unbestimmten belassenen Figuren umschließt sie mit kraftvollen, schwarzen Umrissen, einer angedeuteten Harmonie die dunkle Seite gegenüberstellend. Es scheint, als wolle Uta Jeran ästhetische Überhöhung im gleichen Maße meiden wie die erlebte Impression, um stattdessen das Resultat ihrer inneren Beobachtung wiederzugeben, eher spröde als elegant. - In Ihren Arbeiten auf Papier beweist die Malerin Sensibilität. Hier unterstützen feine Valeurs die Auflösung des Raumes ins Malerische...

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